La Cenerentola: Rossinis Vorgriff auf den Dadaismus?
Shownotes
Gioachino Rossinis _La Cenerentola _ist ein faszinierendes Meisterwerk der Opera buffa – basierend auf einem der ältesten und bekanntesten Märchenstoffe: dem Aschenputtel. Doch wie näherte sich einst Rossini einem so vertrauten Stoff mit frischem Blick?
In dieser Folge von _Hör-Spiele _sprechen Moderatorin Maria Gnann und Chefdramaturg Florian Amort über Rossinis inhaltlichen und musikalischen Ansatz sowie über inszenatorische Besonderheiten der Neuinszenierung bei den Bregenzer Festspielen durch Regisseurin Amy Lane.
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00:00:00: [Musik] [Maria Gnann] Wenn ich an Aschenputtel denke, dann denke ich daran, wie es sich auf einem Baum versteckt
00:00:24: und verschmitzt, geheimnisvoll den Prinzen und seine Kohorte ärgert, oder an die wunderbare
00:00:29: Eule Rosalie, ein Waldkauz der Stille haben über die Schmuckschatulle wacht. Dazu höre
00:00:35: ich dann die Musik im Kopf von Karel Svoboda [Musik]. Ja, viele werden es wahrscheinlich erkannt
00:00:46: haben. Ich denke ganz offensichtlich an den Tschechisch-Deutschen Märchenfilm "Drei Haselnüsse
00:00:51: für Aschenbrödel" von 1973. Mein Name ist Maria Gnann, ich bin Musikjournalistin und
00:00:57: heute soll es um Aschenputtel gehen, aber vor allem um ein italienisches La Cenerentola
00:01:04: und die gleichnamige Oper von Gioachino Rossini, die bei den Bregenzer Festspielen neu inszeniert
00:01:09: wird von der britischen Regisseurin Amy Lane. Interviewen dazu darf ich den Chefdramaturgen
00:01:15: der Bregenzer Festspiele Florian Amort. Schön, dass du da bist Florian. [Florian Amort] Hallo Maria. [Maria Gnann] Wie ist
00:01:22: das bei dir? Schaust du auch jedes Weihnachten "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" oder
00:01:26: hast du eher den Disney-Film mit Kürbiskutsche und Feenzauber im Kopf? [Florian Amort] Eher Disney tatsächlich,
00:01:33: aber ansonsten denke ich bei Aschenputtel dann tatsächlich auch immer gleich an Rossini
00:01:37: an "La Cenerentola". [Maria Gnann] Sehr schön, ja, was für einem Aschenputtel begegnen wir bei Rossini?
00:01:43: Er beginnt seine Cenerentola jedenfalls so: [Musik]
00:02:13: Ja, bedächtig, die Ouvertüre zu "La Cenerentola" – geklaut übrigens aus einer anderen Oper von
00:02:36: Rossini selbst: "La gazetta". Sehr erhaben, aber später dann auch anmutig verspielt, passt
00:02:43: sie trotzdem gut auch zu dieser Oper. Der volle Titel lautet übrigens "La Cenerentola,
00:02:49: ossia La bontà in trionfo", also Aschenputtel oder der Triumph der Güte.
00:02:55: Zu Rossinis Zeit war das Aschenputtel ein beliebter Opernstoff. Sein Librettist Jacopo
00:03:03: Ferretti hat sich an dem französischen Märchendichter Charles Perrault orientiert und an dessen Version
00:03:08: des Aschenputtels "Cendrillon ou la Petite Pantoufle de verre", also Aschenputtel oder der kleine
00:03:15: gläserne Pantoffel. Diese Version orientiert sich wiederum an einer italienischen Vorlage,
00:03:20: und überhaupt kursieren sehr viele Versionen des Märchens im europäischen Kulturraum und
00:03:25: es soll sogar Ursprünge geben, die bis ins China des 9. Jahrhunderts zurückreichen.
00:03:30: Interessant fand ich, dass bei Perrault schon die Kürbiskutsche und so weiter vorkommen,
00:03:34: die später auch Disney aufgegriffen hat – das war mir gar nicht so klar. Aber Rossini
00:03:38: und sein Librettist entfernen jetzt alle fantastischen Elemente. Also, es gibt keine Fee, keine Magie,
00:03:44: obwohl es ja im 19. Jahrhundert durchaus angesagt war, märchenhafte Elemente in der Kunst aufzugreifen.
00:03:52: Warum machen Sie das, Florian? Was meinst du? [Florian Amort] Ich glaube, es gibt da mehrere Gründe. Das eine
00:03:58: ist eine ganz praktische: Wenn man einen Glaspantoffel hat, der ist halt einfach bühnenuntauglich,
00:04:04: weil entweder die Hälfte sieht ihn nicht oder er ist sehr schwer zu inszenieren, auch damals schon.
00:04:09: Und deswegen hat man eben nicht einen Glaspantoffel in der Rossini-Version, sondern eben einen Armreif
00:04:15: oder ein Handreif, also etwas, was leichter anzulegen ist, was auch leichter zu erkennen ist
00:04:21: und was bühnenpraktischer ist. Auf der anderen Seite, was ich sehr spannend fand, ist eben,
00:04:25: dass es dieses Märchenhafte dann doch etwas entfernt und diese Güte eben, das ist eigentlich
00:04:31: schon eher um das eigene Wunder oder das eigentliche Märchen, um eine Charaktereigenschaft geht und
00:04:37: eben nicht um Kürbiskutsche und Verwandlung. Und auch da praktisch, ich meine Verwandlungen zu der
00:04:44: Zeit in Italien auf der Bühne ohne Computer, ohne Video, ohne sonstige szenografische Einfälle,
00:04:51: da eine Kürbiskutsche auf die Bühne zu stellen, war auch einfach nicht so leicht möglich. Und
00:04:56: ich glaube, man hat dann mit den Versatzstücken gearbeitet, die man in der italienischen Oper
00:05:01: damals zur Verfügung hat. Und es waren halt eher die Szenen wie Haus, Park, Schloss und eben diese
00:05:08: Elemente und hat eben daraus dann die Geschichte gemacht. Und es ist ja auch ganz spannend,
00:05:13: eben die Kutsche ist die Kutsche, aber die Kutsche sieht man ja auch gar nicht. Es ist ja eine
00:05:17: Teichoskopie: Es wird nur berichtet, sie gehen jetzt zur Kutsche oder es wird jemand ankommen. Also,
00:05:22: genau diese Momente sind eigentlich immer ausgespart und es wird nur darüber berichtet.
00:05:27: [Maria Gnann] Und es soll hier wirklich um den Menschen gehen, könnte man sagen. Erzähl uns doch mal,
00:05:31: was sie noch so an der Vorlage geändert haben, Rossini und sein Librettist. Also, wir haben einmal
00:05:36: schon den gläsernen Schuh, den es nicht mehr gibt, sondern eben einen Armreif. Wobei ich es interessant
00:05:42: finde, weil der ja auch sehr klein ist, aber du sagst, ist trotzdem einfach besser zu inszenieren.
00:05:47: Was verändert sich noch? [Florian Amort] Ja, und zwar auf der Ebene des Personals. Es gibt keine böse Stiefmutter,
00:05:53: sondern es ist ein Stiefvater. Auch das hat eher praktische Gründe, weil damals hat man für
00:05:58: ein Ensemble geschrieben und man hat ja schon drei Schwestern und wenn man jetzt noch eine
00:06:03: Stiefmutter hat, hätte man vier Frauenstimmen einfach und irgendwas braucht man ja auch für
00:06:07: die Männerstimmen in diesem Ensemble. Dann wurde es eben zu einem Stiefvater, Don Magnifico. Und es
00:06:13: gibt auch nicht eine Fee, die irgendwie zaubert, sondern es gibt so einen philosophischen Lehrmeister
00:06:18: des Fürsten, eben Don Ramiro ist der Fürst, und sein Lehrmeister ist Alidoro. Und Alidoro ist der
00:06:25: Spielmacher, auch in unserer Inszenierung, aber es gibt auch eine Linie im Libretto, wo es zum
00:06:29: Beispiel heißt "Ich bin mit meinem Plan fast am Ende". Also, er macht eigentlich so wie so eine Art
00:06:34: Spielmacher, vielleicht so ein bisschen so wie Don Alfonso in "Così fan tutte", derjenige, der ein
00:06:40: bisschen wie so eine Versuchsanordnung die Person hin und her schiebt und die mal machen lässt und am
00:06:44: Ende dann triumphiert. [Maria Gnann] Und mir fällt gerade auch noch ein, was sich von der Vorlage unterscheidet,
00:06:50: ist, dass Dandini und eben Don Ramiro – also Dandini ist der Kammerdiener –, dass sie ein
00:06:55: Verwechslungsspiel inszenieren. Also, der Fürst gibt sich als Diener aus und umgekehrt eben Dandini
00:07:01: als Don Ramiro. Das ist auch nicht in der Vorlage enthalten, aber kommt natürlich so einer Oper
00:07:08: mit ihren ganzen Verwechslungsspielen gerade zu der Zeit, glaube ich, schon sehr zu pass. [Florian Amort] Genau,
00:07:13: also ein Element der Opera buffa der damaligen Zeit war auch Verwechslungen, also umziehen,
00:07:19: das kommt glaube ich in jede Opera-Buffer der Zeit vor. [Maria Gnann] Bei Rossini wird ja auch sehr oft über
00:07:25: seinen Einfallsreichtum gesprochen, über seine Überzeichnungen – der Komik –, über seine mitreißende,
00:07:33: fast schon bizarre Ader. Gibt es Stellen, die du besonders komisch oder lustig findest?
00:07:40: Weil ein bisschen lustig sollte eine Opera buffa ja schon sein, auch heute noch. [Florian Amort] Ja, es gibt ganz
00:07:45: tolle, hinreißende, lustige Szenen, die Auftrittsarie des Dandini zum Beispiel, der eben von einer
00:07:52: Biene spricht, die irgendwie von der Lilie zur Rose geht. Also, die Bilder sind sehr komisch auf
00:07:58: so einer Sprachebene, die gefunden werden. Also, man möchte elaboriert sprechen, eigentlich in
00:08:03: Hofsprache, in Minnesprache, oder es kommen lauter Peinlichkeiten raus. [Maria Gnann] Also, man nimmt den Adler
00:08:09: auch so ein bisschen auf die Schippe dadurch? [Florian Amort] Ja, gar nicht so. Es ist ja jemand, der möchte
00:08:14: ein Adliger sein, der ein Adliger mimt und eigentlich aus der Rolle fällt, der es nicht
00:08:18: kann. Und auch Don Magnifico ist jemand, der eigentlich nicht zum Adler dazugehört, aber so
00:08:25: spielt als wäre er und damit eine gewisse Komik entsteht. Also, ich glaube nicht, dass es kritisch
00:08:29: ist gegenüber des Adels, sondern ich glaube eher, dass die eigentlich nicht in der Rolle sind. Und
00:08:34: was auch noch lustig ist, ist die Musik zum Beispiel. Ich denke an dieses berühmte Sextet,
00:08:39: wo Rossini immer falsch komponiert in dem Sinne, in dem eben die Betonungen immer auf zwei und vier
00:08:47: sind und das dann am Ende so [Geräusch] in der Musik macht. Also, eher sozusagen Akzente, musikalische Akzente
00:08:54: setzt, die keinen Sinn machen und dadurch eine Komik erzeugt. Und was bei Rossini immer wichtig
00:09:00: ist, da es gibt dieses berühmte Rossini crescendo, also, dass man sich steigert und steigert und
00:09:06: steigert und eigentlich es immer wiederkommt, aber damit so eine ganz große Dynamik bekommt,
00:09:11: die tänzerisch ist, die gute Laune macht, die ein Lächeln ins Gesicht zaubert und das finde
00:09:17: ich auch bei Cenerentola, oder generell bei Rossini so faszinierend. [Maria Gnann] Du lächelst ja schon, wenn du nur
00:09:22: darüber sprichst. Du sprichst über das Sextet "Questo é un nodo avviluppato" – das finde ich
00:09:28: tatsächlich auch ziemlich witzig. Das ist die achte Szene im zweiten Akt, das heißt übersetzt,
00:09:32: "das ist ein verworrener Knoten" und meint eben diese Gruppe, diese Verwirrung, die da vorherrscht.
00:09:39: Du hast die Akzentuierung angesprochen, aber es geht ja auch um diese Betonung des gerollten
00:09:45: italienischen R, was ja irgendwie auch sowas total Wunderliches hat. Wie kommt man auf sowas?
00:09:50: Ich hatte fast schon so eine Assoziation auch mit bestimmten Renaissance-Vocal-Ensemble-Vertonungen,
00:09:57: irgendwie Josquin des Pré, diese Vogelstimmen und so. [Florian Amort] Es gibt einen Musikwissenschaftler Arnold
00:10:03: Jakobshagen, der hat auch ein Buch geschrieben über Rossini und der spricht da von "Dadaismus"
00:10:07: eigentlich, also ein zu früher Dadaismus, weil es eben keinen Sinn macht. Das ist nur der Klang
00:10:12: und das ist auch ein Element, was es bei der Opera buffa auch bei "Cimarosa" zum Beispiel gibt,
00:10:17: aber auch später bei "L'italiana in Algeri" von Rossini. Diese Klänge, also "in meinem Kopf ist
00:10:22: eine Glocke und die macht Ding-Ding-Ding", ist zum Beispiel bei "L'italiana in Algeri" oder es gibt
00:10:28: bei "Il matrimonio segreto" auch so [Klänge] – das macht alles keinen Sinn. Das ist wie so Rock'n'Roll-Moves,
00:10:36: aber die gab es halt auch schon Ende des 18. Jahrhunderts und das macht alles sehr lustig.
00:10:41: [Maria Gnann] Er hat die Oper ja auch zu einem lustigen Event komponiert: "La Cenerentola" sollte die
00:10:48: Karnevalssaison 1817 in Rom eröffnen. Das war nach Rossinis großem Erfolg über "Il barbiere
00:10:54: di Siviglia". Die Premiere von "La Cenerentola" kam am Anfang gar nicht so gut an, das lag aber
00:11:00: vielleicht auch daran, dass das Stück gar nicht so einfach war und schon sehr bald zog das Werk
00:11:06: dann mit Erfolg eigentlich um die ganze Welt, – was ich auch sehr erstaunlich finde – schon zu Beginn
00:11:10: des 19. Jahrhunderts. Was würdest du sagen, ist neben dem Humor von Rossini oder seinem Crescendi
00:11:18: die große Kunst dieses Komponisten? Was trägt das Stück bis ins 21. Jahrhundert? [Florian Amort] Ich finde,
00:11:24: Rossini ist einfach so verschwenderisch, was tolle Melodien angeht. Jeder Einfall ist irgendwie
00:11:29: eine Melodie, die man mitsingen kann, die man im Ohr hat, die nicht mehr rausgeht. Es ist Gute-
00:11:35: Laune-Musik, auch wenn es ab und zu sehr tragisch wird. Es gibt auch ganz tragische Momente in dieser
00:11:39: Oper und auch bei Rossini generell. Aber er hat einfach, er komponiert für ein Publikum. Er hat immer
00:11:46: ein Publikum vor Augen und vor Ohren und das macht diese Musik so besonders. Und natürlich auch die
00:11:52: Stoffwahl, also jetzt mit Aschenputtel. Das ist ein Stoff, den man immer mag, der auch zeitlos ist,
00:11:57: der jetzt auch nicht alt wird. Es gibt andere Rossini-Stücke, wo man fragen kann: Sind die noch
00:12:04: zeitgemäß? Eben wie zum Beispiel "L'italiana in Algeri", also die Italienerin in Algier, wo es
00:12:09: zum Beispiel durchaus einen Mustafa gibt – ein muslimisch gelesener Mensch –, über den man sich
00:12:14: auch lustig macht in der Oper. Ist jetzt die Frage, ob das noch so zeitgemäß ist. Aber er hat trotzdem
00:12:21: eine große Herzlichkeit und eine Umarmung für diese Menschen. Und wenn man dann noch weiß, dass
00:12:26: er selber eigentlich gar nicht so ein glücklicher Mensch war und eigentlich auch sehr viel traurige
00:12:30: Momente hatte, und als hätte irgendwie da was kompensiert in seiner Musik. Ich finde das ganz
00:12:35: spannend. [Maria Gnann] Vielleicht ist die zentrale Message ja auch einfach "die wahre Schönheit liegt im Herzen" und
00:12:42: das klingt sehr simpel, aber es hat ja auch was Zeitloses, sich immer wieder damit zu beschäftigen.
00:12:46: In der Fassung von 1817 wechselt die Kulisse zwischen Kaminsaal, Thronsaal, Lustschloss –
00:12:53: du hast es vorhin schon angesprochen: Mal ein bisschen abgehalftert, mal sehr prächtig,
00:13:00: aber immer in einer adeligen Welt, in der dann eben mit den Eigenarten oder vielleicht auch mit
00:13:05: den Ständen gespielt wird. Wie ist das bei Amy Lane und eurer Inszenierung in Bregenz?
00:13:11: [Florian Amort] Ja, also Amy Lane hat sich das Stück angehört und es gibt eine Arie, die Auftritts-Arie
00:13:17: des Don Magnifico, der von einem Traum berichtet, dass eben ein Esel, dass dem Federn gewachsen sind,
00:13:24: der dann auf einem Kirchturm hochgestiegen ist und hat eigentlich daran gesagt: Das ist ja irgendwie so
00:13:32: wie "Alice in Wonderland" oder "Willy Wonder" und hat halt so eine Traumwelt geschaffen, aber eine ganz
00:13:39: konkrete Traumwelt, nämlich mit so einer Fun-House-Atmosphäre, also so eine Rummelplatz-Ästhetik.
00:13:45: Und hier ist auch wichtig, dass man eben lacht, dass es auch Magie, also das, was vielleicht das
00:13:51: Stück dann gar nicht mehr so viel hat, dann doch hat und eben in so einer Rummelplatz-Ästhetik. Also, es
00:13:57: gibt Spiegel, die man sieht, die Proportionenverzerr, es gibt eine Achterbahn, also zu sehen, es gibt
00:14:04: Zuckerwatte, es gibt Türen, die auf und zu gehen, also es ist ein sehr unterhaltendes Setting. Und in
00:14:11: diesem Setting ist Cenerentola eigentlich die ungeliebte Stieftochter, die als Reinigungsfrau
00:14:18: eigentlich da angestellt ist und diese Idee, sich den Staub abschütteln und aufsteigen, war das, was
00:14:26: auch Amy Lane interessiert hat. Also, gar nicht so die Asche, sondern eher dieses Modernere, sprich
00:14:31: sich eben den Staub abklopfen und das war mehr so die Idee von Amy Lane. [Maria Gnann] Rummelplatz, Popcorn,
00:14:37: Zuckerwatte, das klingt ja nach einer Betonung auf die überschäumende Seite, vielleicht dieses
00:14:42: Werks, die ja definitiv da ist und auf die Komik, auf den Unterhaltungswert. Wie ist es bei den
00:14:48: Stellen, die sehr gefühlsbetont sind, was sich jetzt vor allem bei Aschenputtel, also dann der
00:14:54: Reinigungskraft und auch dem Prinzen sehen würde, dem Fürsten, das sind ja doch auch sehr innige
00:15:00: Momente. Wie werden die inszeniert? [Florian Amort] Sie werden dadurch inszeniert, dass es eben sonst immer sehr
00:15:06: viel Tempo gibt. Es gibt auch einen achtstimmigen Chor, also ein Doppelquartett, die so nicht nur
00:15:12: singen, sondern auch sehr viel anderes machen auf der Bühne und in diesen Situationen wird eben das
00:15:18: Handlungstempo runtergefahren: Man ist auch nur noch zu zweit auf der Bühne und man geht eben sehr
00:15:24: viel über Körperhaltung, würde ich mal nennen. Und es gibt vor allem am Ende dann doch eine ganz
00:15:31: schöne Größe auch von Cenerentola, also die Idee dieses "La bontà in trionfo" – also der Sieg,
00:15:38: der Gutheit, wenn man so möchte – war auch sehr wichtig Amy Lane, dass man eben sagt: Okay, es ist
00:15:43: eigentlich auch ein Märchen, aber es ist vor allem ein schönes Märchen, eigentlich ein Lehrstück,
00:15:48: das eben zeigt, wenn man irgendwie gut miteinander umgeht, wie Cenerentola es eben ja auch macht
00:15:54: mit dem Bettler und eigentlich unschuldig in diese Situation kommt und man auch gleich mit ihr
00:16:00: sympathisiert. Man sympathisiert ja nicht mit den zwei Schwestern, die böse sind, man sympathisiert
00:16:05: auch nicht wirklich mit dem Don Magnifico, auch mit dem Dandini weniger, sondern man hat schon sehr
00:16:12: viel Sympathie für Cenerentola und auch für Don Ramiro. Und damit schafft man dann auch wieder
00:16:17: eine Innigkeit vom Fokus her einfach, weil man mit denen irgendwie mitleidet. Bei den anderen
00:16:22: leidet man nicht mit, sondern denkt sich: Was sind das für komische Keuze, die da rumlaufen in der Partitur?
00:16:27: [Maria Gnann] Ja, was Rossini vielleicht dann doch auch ein bisschen von Mozart unterscheidet, bei
00:16:31: dem man ja sehr gut eigentlich mit fast allen Figuren mitleben kann und bei Rossini ist
00:16:38: es ja vielleicht dann doch etwas polarisierender.
00:16:41: Mozart hat er ja auch, glaube ich, sehr geschätzt, wie auch Haydn, er kannte auch die Partituren
00:16:47: von denen, steht ansonsten aber auch in der neapolitanischen Operntradition, du hast
00:16:51: ja "Cimarosa" auch schon angesprochen. Wie sieht es aus, was das Frauenbild angeht? Also,
00:16:56: diese Heldin, das Aschenputtel, durchlebt ja in der Vorlage eine ziemlich klassische weibliche
00:17:00: Heldenreise, also sie greift nicht zum Schwert, sondern sie überzeugt mit reinem Herzen. Was
00:17:07: für ein Frauenbild gibt es bei euch zu erleben, wenn man sich "La Cenerentola" anschaut?
00:17:11: [Florian Amort] Ja, ich glaube auch so in diese Richtung: Also, wir sehen auch eine Frau, die erstmal
00:17:17: die Arbeit verrichten muss, eben in diesem Funhouse, und durch Hilfe von Alidoro und
00:17:24: durch ihr großes Herz letztlich den Aufstieg schafft.
00:17:28: Wir sehen zwei kratzbürstige Schwestern, Tisbe und Clorinda, die ja vielleicht doch auch
00:17:37: sehr in ihrer Skizzenhaftigkeit gezeigt werden. Es ist ja durchaus spannend, dass ja weder
00:17:43: Tisbe noch Clorinda eigentlich eine eigene Arie haben. Die Arie der Clorinda ist nachkomponiert
00:17:48: von einem anderen Komponisten, die auch bei uns gestrichen ist, dadurch gibt es auch
00:17:53: eine Schwierigkeit der Individualisierung der Charaktere, also sie sind sehr karikaturhaft
00:17:59: am Ende.
00:18:00: [Maria Gnann] Fällt dir eine Oper ein, in der der männliche Held vor allem über die Güte definiert wird?
00:18:09: [Florian Amort] Ja, also nicht ausschließlich, aber in "La clemenza di Tito" von Mozart, da hat ja die
00:18:19: Clemenza ist schon im Titel drinnen, also er verzeiht am Ende den Intriganten und wird
00:18:25: dadurch ein guter Herrscher.
00:18:27: Da ist aber natürlich noch zwei Stunden vorher auch was passiert, was jetzt nicht nur auf
00:18:32: dieser Ebene der Güte verhandelt wurde, aber ich würde sagen Herrscher und Verzeihung
00:18:40: ist zumindest schon ein Thema, was öfters vorkommt in der Zeit vor Rossini.
00:18:46: Aber ich würde auch sagen, dass vielleicht allgemein vor der französischen Revolution
00:18:53: die Geschlechterfrage gar nicht so wesentlich war, sondern eher die Frage nach der Klasse,
00:18:58: war man adelig oder war man Pöbel, wie es so schön heißt, oder war man eben Kleriker.
00:19:04: Also, dass da viel eher die Trennlinie war: eine Fürstin, eine Königin, eine Kaiserin.
00:19:11: Maria Theresia hat natürlich viel mehr Rechte gehabt als irgendein Bauer in Österreich und
00:19:18: sie wurde ja auch ernst genommen, da hat niemand gesagt, sie muss jetzt zurücktreten,
00:19:22: weil sie eine Frau ist, sondern das wurde über den Stand verhandelt.
00:19:25: Ich denke zum Beispiel auch an andere, zum Beispiel in "La clemenza di Tito" an Sesto, die
00:19:32: sich dann als Frau verkleidet, obwohl sie auch von einer Frau gesungen oder eben von einem
00:19:36: Kastraten gesungen, also diese ganzen Besetzungsfragen und dieses Verkleiden über die Geschlechtergrenzen
00:19:42: hinweg.
00:19:43: Ich glaube, dass das damals nicht verstanden wurde im Sinne von "Wir sind jetzt genderfluid",
00:19:48: sondern das war eher aus einer anderen Praxis kommend, eben, wo der Klang vor allem wichtig war und
00:19:54: eher in die Richtung geht.
00:19:56: Durch die französische Revolution nimmt das Geschlecht auf einmal eine viel wichtigere
00:20:01: Rolle ein, und deswegen sind ja auch Opern aus dem 19. Jahrhundert, was Geschlechterthematik
00:20:06: angeht, viel ungerechter, ich werte es jetzt gleich mal als Opern vor 1800.
00:20:11: Und ja, vielleicht ist Cenerentola dann auch eine der ersten Opern mit einem Bild
00:20:19: von Frau, die jetzt ein bisschen weniger stark ist oder sehr auf die moralischen Ebenen
00:20:26: abgezogen sind, das kann ich mir schon vorstellen, habe ich nicht darüber nachgedacht.
00:20:29: Und trotzdem muss man aber musikalisch rechtfertigen, dass sie die spannendste Musik hat, also
00:20:35: zumindest was musikalisch die Sache angeht, ist die Präferenz von Rossini ganz deutlich,
00:20:40: also da gibt sie den Ton an. [Musik]
00:21:05: [Maria Gnann] Dann lass uns doch noch ein bisschen über die Sängerinnen und Sänger sprechen, die
00:21:18: sich in Bregenz mit diesem Stoff beschäftigen dürfen.
00:21:22: Ihr rückt mit Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern an, mit dem aufstrebenden Dirigenten
00:21:27: Kaapo Ijas – noch nicht mal 40 Jahre alt – und mit Sängerinnen und Sängern eures Opernstudios.
00:21:33: Erzähl doch mal, was genau meint es: Opernstudio der Bregenzer Festspiele?
00:21:37: [Florian Amort] Also, die Bregenzer Festspiele geben jedes Jahr die Möglichkeit, jungen Sängerinnen
00:21:42: und Sängern eine szenische Produktion zu erarbeiten.
00:21:46: Das ist nicht so, dass man sich bewerben kann, sondern man macht ein Casting, es wird eben
00:21:51: verschiedenste Kandidatinnen und Kandidaten eingeladen, wir machen das auch in Zusammenarbeit
00:21:55: mit dem Wettbewerb "Neue Stimmen" – also ein Teil der Sänger und Sängerinnen kommen von
00:22:00: dem Wettbewerb "Neue Stimmen" – oder von anderen Wettbewerben und die laden wir dann ein zu
00:22:06: einer Audition und dann wird der Cast besetzt und dann gibt es meistens im Frühjahr eine
00:22:12: Meisterklasse, wo man schon eine Woche lang musikalisch arbeitet.
00:22:16: Das hat jetzt in diesem Jahr Lilli Paasikivi, unsere neue Intendantin gemacht, die ja selber
00:22:20: Mezzosopranistin ist. Und dann gibt es eben sechs Wochen – wie im ganz normalen Opernbetrieb –
00:22:27: Probenzeit, wo man erarbeitet eine Produktion und die meisten stehen auch zum ersten Mal
00:22:33: szenisch in größeren Partien auf der Bühne, und es ist auch die Idee, dass man schon Rollen
00:22:39: singt, die man vielleicht auch später wieder singen kann, also, dass man jetzt nicht was
00:22:44: Abseitiges macht, was man vielleicht nur einmal singt und dann nie wieder, sondern dass man
00:22:48: auch eine Rolle fürs Leben lernt.
00:22:51: [Maria Gnann] Also, ein Werk aus dem gängigen Repertoire. Was ich übrigens auch richtig interessant
00:22:55: finde – kleine Seiteninformation –, dass zu dieser Zeit von Rossini es angefangen hat, dass
00:23:01: man so ein Repertoire aufgenommen hat an Opernhäusern, das fand ich irgendwie total
00:23:05: spannend und dass das schon auch mitgewirkt hat an seinem großen Erfolg, die Häuser wollten
00:23:10: eben nicht nur aktuelle Werke, sondern wirklich auch ein Repertoire etablieren. Da kamen dann
00:23:15: eben Rossinis Werke direkt auf die Spielpläne und wurden dann eben auch gerne weiter gespielt.
00:23:20: Wenn wir uns jetzt dieses junge Ensemble anschauen: Was macht so etwas mit einem Werk wie "La
00:23:27: Cenerentola"? Wie unterscheidet sich da vielleicht auch die Arbeit verglichen mit den anderen
00:23:30: Produktionen bei euch?
00:23:32: [Florian Amort] Es ist das passiert, was jedes Jahr eintritt, seit ich da bin:
00:23:35: Man hat ein gleichaltriges Ensemble und verhandelt trotzdem meist Generationenkonflikte:
00:23:42: Man hat die jungen Schwestern, man hat aber einen alten, nämlich Don Magnifico, der ja
00:23:48: ein Vater ist, man hat den Alidoro, der ebenfalls ein alter, weißer, philosophischer Berater ist,
00:23:57: man hat den Dandini als Kammerdiener, den kann man ein bisschen jung deuten, auch der
00:24:01: junge Fürst, der ja von seinem Vater am Sterbebett gesagt wurde, er muss jetzt heiraten, sonst
00:24:08: wird er enterbt.
00:24:09: Diese Generationenthematik ist eigentlich in jeder Oper drinnen und dadurch, dass die
00:24:14: Leute, die Sängerinnen und Sänger aber gleichalt sind, müssen sie entweder auf Alt gemacht
00:24:20: werden, sprich man muss über Kostüm und Maske arbeiten, aber die Stimmen sind ja jung und
00:24:26: auch die Bewegungsapparate sind jung.
00:24:29: Also, wir haben einen wunderbaren Don Magnifico, der 26 Jahre alt ist, der unglaublich spielt
00:24:36: wie wahrscheinlich ein älterer Herr nie spielen könnte mit einer Freude und das macht es
00:24:42: eigentlich ganz spannend.
00:24:43: Dramaturgisch gesprochen: Man kann nicht übers Alter gehen, sondern man muss die Figurenkonstellation
00:24:48: und was sie machen anders erzählen.
00:24:50: [Maria Gnann] Ferhat Baday singt den Don Magnifico. Die Titelrolle übernimmt die chinesische Mezzosopranistin
00:24:57: Jingjing Xu – Jahrgang 1999. Würdest du sagen, sie singt die anspruchsvollste Rolle oder
00:25:05: ist es eher die vom Philosophen Alidoro – Lehrer des Prinzen –, quasi die weise Fee mit seiner
00:25:11: berühmt-berüchtigten Arie "La del ciel nell'arcano profondo".
00:25:15: [Florian Amort] Also, sie hat deutlich mehr zu singen – also dafür ist sie auch die Hauptpartie –, sie ist sehr virtuos
00:25:22: mit Koloraturen gesetzt, sie ist eine Mezzosopranistin, also sie braucht auch eine gute Höhe und sie
00:25:29: macht das ganz fantastisch.
00:25:31: Unser Alidoro – Lobel Barun, ein kroatischer Sänger –, der hat eigentlich eine große Arie
00:25:36: zu singen, eben die, die du gerade erwähnt hast, also "irgendwo sitzt eine Gottheit im
00:25:41: Himmel" – wenn man es übersetzen mag – und das ist eine nachkomponierte Arie von Rossini.
00:25:47: Die eigentliche Arie des Alidoro hat ein anderer Komponist geschrieben, der Rossini
00:25:52: so als Schüler geholfen hat und er hat dann für eine spätere Aufführung diese Arie nachkomponiert
00:25:57: und das ist sozusagen die Parade-Arie für diesen Solisten. Und Alidoro ist bei uns auch
00:26:04: so ein bisschen der Spielmacher, ich habe es schon erwähnt gehabt, und mit dieser Arie
00:26:09: positioniert er sich auch eigentlich für die Zuschauerinnen und Zuschauer deutlich
00:26:12: als derjenige, der eigentlich die Fäden in der Hand hat.
00:26:15: Ein bisschen wie Samiel auf der Seebühne im "Freischütz" ist eigentlich er der Wirkliche,
00:26:21: der den Ton angibt: Er kann die Menschen bewegen auf der Bühne, er kann es regnen lassen,
00:26:29: er kann es stürmen lassen, er kann die richtigen Leute zusammenführen.
00:26:32: Also, er ist ja wie der Spielemacher von unserem "Freischütz"-Samiel.
00:26:37: [Maria Gnann] Florian, was macht Rossini für Sängerinnen und Sänger so schwierig?
00:26:41: [Florian Amort] Man braucht eine gute Technik und es ist eine Technik, die nicht mit Kraft funktioniert:
00:26:48: Es ist eine sehr feine Technik, virtuos, diese Koloraturen müssen mühelos sich anhören,
00:26:55: obwohl es sehr schwer zu singen ist.
00:26:57: Der Ambitus ist sehr groß, also der Stimmumfang, und diese Musik ist so gebaut, dass man es
00:27:04: aus Erstes – mal die erste Strophe, wenn man so möchte – singt, dann wird die zweite etwas
00:27:09: variiert, dann kommt die dritte, die noch virtuoser ist. Und es ist auch eine Musik, die
00:27:15: zwar eine textliche Grundlage hat mit Noten, aber auch schon damals und auch heute noch
00:27:20: immer weiter ausgereizt wird, ausgestaltet wird, verziert wird, und das bedarf einer großen
00:27:27: Kunst, weil am Ende muss ich ja auch dann wieder in der richtigen Tonart rauskommen
00:27:31: oder es muss auch mit dem Orchester funktionieren. Und dieses scheinbar mühelose Singen höchster
00:27:37: Töne, diese ständige Virtuosität, das macht es glaube ich wahnsinnig schwer, Rossini überzeugend
00:27:45: zu singen.
00:27:46: Wenn man Rossini mit Kraft singt oder Belcanto generell mit viel Kraft singt, klingt es immer schwerfällig. [Musik]
00:28:16: [Maria Gnann] Ja und es ist ja vielleicht auch ein bisschen wie bei Mozart: Sobald man solche tollen
00:28:39: Melodien hat, die man aber auch eben wiedererkennen kann im Publikum, dadurch hören auch alle
00:28:45: alles, also man muss kein Spezialist, keine Spezialistin sein – bei solcher Musik erkennt
00:28:51: man sofort, wenn man mal daneben gelegen hat oder eben vielleicht auch eine Ausgestaltung,
00:28:57: eine Verzierung nicht so ganz stimmig ist oder alles, was so leicht klingt im Grunde,
00:29:01: ist mit am schwersten zu interpretieren.
00:29:03: Rossini hat die Oper in einem Monat komponiert – das finde ich auch wirklich erstaunlich. Wie
00:29:10: geht sowas überhaupt? Es ist ein riesiges Werk, fast drei Stunden dauert die Oper.
00:29:15: [Florian Amort] Es funktioniert erstens, weil die Librettisten damals schon gewisse Formeln gefunden haben:
00:29:22: Es ist also die Zeit, wo die sogenannte "Solita forma" zwar noch nicht da ist, aber eben schon
00:29:27: als Idee existiert. "Solita forma" – die übliche Form –, also es ist eben, dass man sagt: Es
00:29:33: gibt ein Rezitativ, eine Arie, dann gibt es ein "Tempo di mezzo", dann gibt es eine Stretta.
00:29:40: Also, es ist wie so eine Art Baukastensystem, die eine schnellere Produktion ermöglicht,
00:29:45: weil schon der Novitätencharakter sehr wichtig ist. Und auch zum Beispiel – was du erwähnt
00:29:50: hast –, dass die Ouvertüre eigentlich aus einer anderen Oper ist: Das hat Rossini sehr oft
00:29:54: gemacht, das haben aber auch andere Komponisten gemacht, deswegen wollte auch Rossini zu
00:29:58: Lebzeiten nie, dass eine Edition seiner gesamten Werke erscheint, weil dann hätte man ja
00:30:03: raussehen können, wo er überall abgeschrieben hat oder recycelt hat. [Maria Gnann] Clever.
00:30:07: [Florian Amort] Und diese Art der Produktion, dass auch das Orchester, z. B. anders als bei Mozart, das Orchester
00:30:14: relativ simpel ist mit einem Rhythmus, den man leicht instrumentieren kann, zwar eine
00:30:20: Flöte oder eine Oboe als Melodieinstrument hat, in der Belcanto-Tradition und vor allem
00:30:26: auch bei Rossini oder generell aus der neopolitanischen Schule kommt, das Wichtigste sind die Sänger
00:30:31: und das Orchester ist relativ reduziert und damit ist auch die kompositorische Arbeit
00:30:37: für die Orchestrierung auch relativ leicht.
00:30:39: [Maria Gnann] Du hast jetzt schon mehrfach "Belcanto" gesagt. Das ist ein Gesangstil und heißt auf Italienisch
00:30:46: einfach "schöner Gesang", ist eine Gesangstechnik, eine Ästhetik. Wie würdest du das kurz beschreiben?
00:30:53: Vielleicht weiß nicht jeder, was "Belcanto" bedeutet.
00:30:56: [Florian Amort] Also, Belcanto heißt eben, wie du gesagt hast, "schöne Stimme" und als Belcanto-Epoche oder
00:31:02: -Zeit nennt man eben diese große Trias, eben Gioachino Rossini, Gaetano Donizetti und Vincenzo
00:31:09: Bellini, das sind diese drei großen italienischen Komponisten, die sehr für die Stimme geschrieben
00:31:15: haben, wo der Gesang in gewisser Weise das Primat war, wo auch der Gesang zwar schon
00:31:21: Ausdruck der Empfindung ist, aber es muss leicht klingen.
00:31:25: Also, eine tragische Sache kann auch einen in unseren Ohren lustigen Tanzrhythmus haben,
00:31:32: das war damals kein Widerspruch, sondern es geht eher um den Ausdruck in der Stimme. Und
00:31:37: in der deutschen Romantik – und dann eben weiter auch bei Wagner und so – ist eben, das ist eine
00:31:43: ganz andere Ästhetik: Da geht es zwar immer noch um schön Singen im Idealfall, aber das
00:31:48: Orchester ist viel dominanter, viel wichtiger, viel symphonischer gedacht, und damit ist es
00:31:53: eine andere Balance und auch eine andere kompositorische Ästhetik.
00:31:56: [Maria Gnann] Vielen Dank, Florian, also Belcanto ist zu erleben in Bregenz: "La Cenerentola, ossia
00:32:04: La bontà in trionfo", Dramma giocoso von Gioachino Rossini, Premiere ist am 12.
00:32:11: August um 19.30 Uhr, und es wird auch an drei weiteren Terminen aufgeführt das Werk –
00:32:17: am 13., 15. und 16. August, ebenfalls um halb acht Uhr abends im Theater am Kornmarkt.
00:32:25: Wir freuen uns sehr auf die Vorstellung, mein Name ist Maria Gnann und auch Ihnen ganz
00:32:30: herzlichen Dank fürs Zuhören.
00:32:48: [Musik]
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