Opernstudio Der Ehevertrag | Gianni Schicchi

Shownotes

In dieser Folge von Hör-Spiele widmen sich die Dramaturgie-Assistentinnen, Viola Bierich und Thea Plath, dem diesjährigen Opernstudio am Kornmarkt. In einem Doppelabend kommen Gioachino Rossinis Der Ehevertrag und Giacomo Puccinis Gianni Schicchi zur Aufführung. Diese lustige wie ungewöhnliche Kombination setzt erneut die Grande Dame der Opernwelt, Kammersängerin Brigitte Fassbaender, mit den jungen Sänger:innen des Opernstudios in Szene. Die musikalische Leitung übernimmt Claire Levacher.

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00:00:00: Hörspiele Ein Podcast der Bregenzer Festspiele

00:00:18: Die Werke im Fokus dieser Folge Joaquino Rossini's Der Ehevertrag und Jacomo Puccini's Giannis

00:00:25: Kiki.

00:00:26: Die Werke im Fokus der Ehevertrag und Jacomo Puccini's Giannis Kiki.

00:00:36: Der Zufall spielt eine so große Rolle in unserem Lebensgange.

00:01:01: Ich war mit 13 Jahren zur Open-Stadione in Sinigalia als Majestral Cembalo engagiert.

00:01:07: Ich fand da eine Sängerin, welche nicht übel sang, aber so recht zur unmusikalischsten

00:01:13: Sorte gehörte.

00:01:14: Eines Tages machte sie in einer Ari eine Kadenz von einer harmonischen Abenteuerlichkeit,

00:01:21: die alles überstieg, bei der ich mich des Lachens nicht enthalten konnte.

00:01:25: Sie beklagte sich bei ihrem speziellen Protektor, dem von Seiten der Stadt an der Spitze

00:01:30: des Theater stehenden Herren.

00:01:32: Ich hätte das Publikum durch mein Benehmen zum Lachen gereizt.

00:01:35: Ich wurde zum gesträngen Herren beschieden und sehr heftig von ihm angefahren, aber

00:01:41: ich ließ mich nicht einschüchtern und die Sache nahm eine andere Wendung.

00:01:45: Ich setzte ihm meine harmonischen Beschwerden auseinander, überzeugte ihn von meiner Unschuld

00:01:50: und als Stadt mich ins Gefängnis zu schicken, fasste er die lebhafteste Neigung zu mir und

00:01:55: sagte mir schließlich, wenn ich einmal weit genug sei, um eine Operkomponien zu pönnen,

00:02:01: so möge ich mich an ihn wenden und er werde mich eine schreiben lassen.

00:02:05: Ihm verdanke ich meine erste Skritura in Venedig.

00:02:09: Dies schreibt Giorcino Rossini über die Entstehung von "La Cambiale di Matrimonio" zu Deutsch

00:02:20: der Ehevertrag.

00:02:22: Es ist der erste von zwei Einaktern, die das diesjährige Opernstudio der Bregenzer Fest

00:02:26: Spiele im Theater am Kornmarkt präsentiert.

00:02:28: Über die Entstehung des Werkes kursieren neben dieser noch weitere Anekdoten, nach

00:02:34: denen ein befreundetes Künstler-Ehepaar, dem gerade einmal 18 Jahre alten Rossini zu seiner

00:02:39: ersten öffentlich aufgeführten Oper verholfen habe.

00:02:41: In Rossinis Erinnerung klingt das deutlich heroischer.

00:02:45: In jedem Fall ist es aber eine beachtliche Leistung, in so jungen Jahren die erste Oper

00:02:49: zur Aufführung zu bringen.

00:02:51: Und der Ehevertrag ist nicht einmal Rossinis erste Opernkomposition.

00:02:55: Schon zuvor hatte er sich an einer anderen Oper versucht.

00:02:58: Demetrio e Polibiu sollte jedoch erst 1812 in Rom Ura aufgeführt werden.

00:03:04: In der Zeit zwischen seinem ersten und zweiten Opernwerk komponiert Rossini vornehmlich Kirchenmusik

00:03:10: und beschäftigt sich intensiv mit Orchestration.

00:03:13: Sinfonia apiù ist Dromenti obligati concertata, heißt das Instrumentalwerk aus dem er später

00:03:19: die Uvertüre für Lacambiale di matrimonio erschafft.

00:03:22: Rossini zitiert sich typischerweise häufig selbst und auch einige Stellen aus dem Ehevertrag

00:03:28: verwendet er wiederum weiter.

00:03:30: Ylbabiere di Civilia enthält beispielsweise Teile einer Arie von Fani, einer der Hauptpersonen

00:03:36: in unserer Oper.

00:03:37: Aber worum geht es nun eigentlich?

00:03:39: Wir befinden uns im Haus des englischen Kaufmanns Tobias Mill.

00:03:43: Er verhandelt mit seinem kanadischen Geschäftspartner Slug und zwar über eine ganz besondere Ware,

00:03:49: seine eigene Tochter Fani soll vermittelt werden, in gutem Zustand und bereit für

00:03:53: die Überseefahrt.

00:03:54: Die nichtsahnende Tochter hat in des andere Pläne, denn sie liebt den mittellosen Eduardo

00:04:00: Milford.

00:04:01: Von ihrer Liaison wissen allerdings nur die bediensteten Norten und Clarina, die das Liebespaar

00:04:05: vor dem bevorstehenden Ehegeschäft warnen.

00:04:08: Slug reist aus dem fernen Kanada nach Europa und begutachtet Fani, die ihm sofort gefällt.

00:04:14: Sie selbst bittet ihn allerdings den Vertrag aufzulösen.

00:04:18: Eduardo droht Slug sogar mit dem Tod.

00:04:20: Der verwirrte Kanadier stellt Mill zur Rede, der wiederum von nichts weiß und Slugs Entscheidung

00:04:26: gegen den Vertrag nicht versteht.

00:04:28: Die beiden reden sich nun so lange in Rage, bis einer den anderen zum Duell herausfordert.

00:04:34: Im letzten Moment kann Slug seinen europäischen Geschäftspartner noch besänftigen und ein

00:04:38: gutes Ende herbeiführen.

00:04:40: Er überlässt Eduardo den Vertrag, inklusive Fani, und macht ihn kurzerhand zum Alleinerben.

00:04:46: Mill kann er durch die Aussicht auf den nach neun Monaten zu erwartenden Zins in Form

00:04:51: eines Enkelkindes beruhigen.

00:04:53: Somit steht der Ehe zwischen Fani und Eduardo nichts mehr im Weg.

00:04:57: Alle singen in Einigkeit und im großen Ensemble.

00:05:00: Für einen Einakter komponiert Rossini bereits hier ein langes und abwechslungsreiches Finale,

00:05:06: passend zu der nur scheinbaren Einfachheit des Stoffes.

00:05:09: Der Schlusschor besingt die glückliche Liebe.

00:05:12: Rossini schreibt mit dem Ehevertrag eine nahezu idealtypische Farser, sprich einaktige

00:05:33: opera-Buffa.

00:05:34: Mit allen zugehörigen Elementen, also Figuren und Szenen aus dem bürgerlichen Alltagsleben,

00:05:39: ein ironischer Blickwinkel wenig effekt dafür mehr Berechnung in den Arien, die auch erzählen

00:05:45: und nicht nur die emotionale Stimmung ausdrücken.

00:05:47: Um die Handlung voranzutreiben, werden in der Farser häufig und oft sehr überraschend

00:05:52: Briefe verlesen.

00:05:53: Genauso auch im Ehevertrag, etwa wenn Mill den Brief von Slug aus Kanada vorliest.

00:05:59: Das Libretto zur Ope stammt von Guyattano Rossi.

00:06:29: Der damals sehr beliebte Schriftsteller verfasst viele weitere Libretti, nicht nur

00:06:33: für Rossini, sondern auch für Komponisten wie Johann Simonmaier, Guyattano Donizetti

00:06:38: oder Giacomo Mayabeer.

00:06:40: Für Lacambiale di Matrimonio greift Rossi auf eine Komödie von Camillo Federici aus

00:06:45: dem Jahr 1790 zurück.

00:06:47: Er nimmt allerdings kleine Veränderungen vor.

00:06:51: Interessanterweise streicht er Fani's Mutter und Eduardos Onkel als Gegenspieler Mills,

00:06:56: vor allem aus personellen Gründen.

00:06:58: Ansonsten orientiert er sich stark am Originaltext und nutzt ebenfalls die karrikerenden Masken

00:07:03: der Comedia dell'arte.

00:07:05: Mill kann somit als Analogie zum Typus des Pantalone, dem alten, kränglichen und geizigen

00:07:12: Kaufmann in der italienischen Schauspiel-Tradition verstanden werden.

00:07:15: Und auch das Stereotyp des "Guten Wilden", Boan Selvaggio, findet sich im Ehevertrag

00:07:21: wieder.

00:07:22: Slug wird als primitiver Nordamerikaner präsentiert.

00:07:26: Der vergebliche Versuch unternimmt sich den europäischen Manieren anzupassen.

00:07:29: Die Lächerlichkeit seiner Personen wird bei Rossi insofern entschärft, als dass Slug nun

00:07:34: als einziger wirklicher Antipode Mills auftritt und sich zum Schluss als zivilisierte Person

00:07:39: gegen die Zwangsheirat stellt.

00:07:42: Tatsächlich ist das eine Tradition, die mit der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung

00:07:46: und der Bill of Rights 1776 abgeschafft wurde.

00:07:50: Selbstbestimmung des Individuums, wie es darin heißt, gab es in Europa nur kurzweilig

00:07:55: im Zuge der französischen Revolution.

00:07:57: Nach 1791 wurde das Recht auf eigene Ehepartnerwahl vorerst wieder aufgehoben.

00:08:03: Rossinis Opa besteht aus acht Musiknummern und einer thematisch unabhängigen Ubertüre.

00:08:09: Der Komponist greift hier, wie bereits erwähnt, auf ein symphonisches Werk aus Bologna zurück.

00:08:14: Er verbindet traditionelle Elemente und Rückgriffe auf eigene Werke mit neuen Einfällen und arbeitet

00:08:20: den mal mehr mal weniger feinen Wortwitz aus dem Libretto in die Musik ein.

00:08:25: Dabei verwendet er ironisch lautmalerische Elemente, etwa im Finale, wenn Mill sich auf

00:08:30: sein Duell vorbereitet und sich selbst Mut zuspricht, bis schließlich Slug erscheint

00:08:34: und unter parodierten Fanfaren Al Campo zum Kampf aufruft.

00:08:39: Gerade in der Rolle des Slug zeigt sich, wie schmal der Grad zwischen Komik und Unbeholfenheit

00:09:00: sein kann.

00:09:01: Es ist an der Inszenierung, die Stereotypen nicht zu holzschnittartig wirken zu lassen.

00:09:06: Dabei lohnt es sich, auf die Kleinigkeiten zu achten, als Regisseurin wie als Zuschauer.

00:09:11: So wird beispielsweise die gesamte Oper hindurch mit dem Wort "Ma" zu Deutsch aber

00:09:16: koketiert.

00:09:17: Diese Art Running Gag fällt besonders in Fani's Erster und einziger Unterhaltung mit Slug

00:09:22: auf, wenn sie ihm konsequent ihre Antwort verweigert.

00:09:25: Sie sind in der Erster und einziger Unterhaltung mit dem Wort "Ma" zu Deutsch.

00:09:41: Solche sprachlichen wie musikalischen Besonderheiten kommen bei der U-Aufführung 1810 im Teatro

00:10:10: San Mose in Venedig besonders zur Geltung, was die Sängerinnen und Sänger vor besondere

00:10:15: Herausforderungen stellt.

00:10:17: Einige von ihnen sollen sich sogar beschwert haben, dass die Orchesterbegleitung zu stark

00:10:21: sei, was hinsichtlich der eher kleinen Besetzung ohne die sonst bei Rossini so präsenten Trompeten

00:10:27: und Pauken verwundert.

00:10:29: Dennoch beginnt Rossini mit dem Ehevertrag eine recht erfolgreiche Reihe von insgesamt

00:10:33: fünf Einaktern, die im Teatro San Mose aufgeführt werden.

00:10:37: Er arbeitet dabei in enormem Tempo.

00:10:41: 1812 schreibt er sechs Opern innerhalb eines Jahres.

00:10:44: Spätestens danach ist Rossini zu einem der beliebtesten Komponisten des Landes avanciert.

00:10:50: Sein Fokus verschiebt sich aber nach und nach von der komischen Upe in Richtung Operas

00:10:54: Seria.

00:10:55: Zunächst in Neapel, dann in Frankreich versucht er sich von seinem Ruf als vornehmlicher

00:11:00: Meister der Operabufer loszusagen.

00:11:02: Und auch im Ehevertrag schwingen bereits sentimentale und moralische Elemente mit.

00:11:07: Das Teatro San Mose muss bezeichnenderweise nach Rossinis Abkehr im Jahr 1818 schließen,

00:11:14: was eher sehr bedauert.

00:11:16: Dennoch blickt er nicht zurück, sondern entwickelt seinen Stil weiter.

00:11:19: Der Ehevertrag wird zu Rossinis Lebzeiten mindestens zwölf Mal an europäischen Theaterbühnen

00:11:25: produziert und erhält für ein Erstlingswerk große Beachtung.

00:11:29: Meist wird das Stück in Kombination mit einem anderen Werk gespielt.

00:11:32: Bei der Uhrführung etwa zusammen mit einem Ballett von Giuseppe Farinelli überliefert

00:11:37: es außerdem eine Aufführungsreihe in Wien, gemeinsam mit dem Ballett "Die Vestalin" von

00:11:41: Johann Wilhelm Reuling.

00:11:44: Inbringens wird die Fachsah nun gemeinsam mit Jaco Muppucinis "Jani Skiki" an einem

00:11:48: Abend gezeigt.

00:11:49: Die ebenfalls einaktige Oper ist Teil des Zerritiko auf Deutsch das Trüptichon, in dem Puccini

00:12:07: ein frisches Stück, Il Tabaro, ein sentimentales Suore Angelica und ein heiteres Stück, Janis Kiki, vereinen wollte.

00:12:15: Il Tritiko kam am 14. Dezember 1918 an der Metropolitan Opera in New York zur Uraufführung, also rund 100 Jahre nach dem Ehevertrag.

00:12:25: Dabei war der heitere Janis Kiki von Anfang an das populärste der drei Werke, mit dem Ergebnis, dass Il Tritiko als ganzes recht selten aufgeführt wird,

00:12:35: wo es sich oft auf den Spielplänen der Opernhäuser steht. So auch bei uns, wo das Stück mit Rossinis Einakter kombiniert wird.

00:12:42: Sein Ursprung hat die Handlung von Janis Kiki in einer Passage aus Dante Aligeris göttlicher Komödie, genauer gesagt im 30. Gesang des Inferno.

00:12:51: In diesem trifft Dante, der die Hölle durchwandert, auf Hochstabler*innen und Betrüger*innen.

00:12:58: Eine der Personen, die ihm hier begegnen, ist der Florentiner Janis Kiki, dessen göttliche Strafe die Tollwut ist und der auf ewig dazu verdammt ist, in wilder Raserei alle anzufallen und zu beißen, die ihm in die Quere kommen.

00:13:10: Der Grund für Janis Kikis Verdammung wird bei Dante lediglich in drei kurzen Fersen angedeutet, hat aber angeblich einen wahren Kern.

00:13:19: Janis Kiki lebte wohl tatsächlich im Mittelalter in Florentz. Angeblich gab er sich nachdessen ableben, als der reiche Händler Broso Donati aus, um dessen Testament zugunsten eines Freundes und sich selbst zu fälschen.

00:13:32: Neben dantes Erwähnung gibt es auch einige historische Dokumente, die dieses Ereignis belegen.

00:13:39: Als Libertist für Janis Kiki fungierte der Theaterautor und Regisseur Giovacchino Forzano, der auch schon fürs Juan Jelica das Libretto geschrieben hatte und den Janis Kiki-Stoff vorschlug.

00:13:50: Um aus der kleinen Episode aus der göttlichen Komödie ein ganzes Textbuch zu gewinnen, bediente sich Forzano verschiedener Kommentare zu dantes Werk.

00:13:59: Die Zusammenarbeit mit ihm funktionierte reibungslos und Puccini vertonte seine Texte, sehr ungewöhnlich für ihn, mit nur wenigen Kritikpunkten und Änderungen, beinahe eins zu eins.

00:14:09: Damit ist Forzano wohl der einzige seiner Libertisten, mit dem Puccini kaum Probleme hatte.

00:14:14: Wie die von Dante geschilderte Episode um Janis Kiki spielt auch Puccinis Oper in Italien, in Florentz und eigentlich im späten Mittelalter.

00:14:24: Und so wimmelt das Libretto von Referenzen und Anspielungen auf Handlungsort und Zeit.

00:14:28: Zahlreiche Wahrzeichen werden genannt, ebenso wie Historisch-Persönlichkeiten oder Ereignisse.

00:14:34: Am prominentesten ist die Erwähnung des Ponte Vecchio, der alten Brücke über den Fluss Arno, die auch im Bühnenbild hier bei uns in Bregenz präsent sein wird.

00:14:44: Das Original-Bühnenbild von 1918 war passend zur Handlung historisch-mittelalterlich gestaltet und gefiel Puccini sehr, der in einem Brief an sein Verleger Tito Riccordi schrieb,

00:14:55: "Das Modell für Skiki finde ich wunderschön. Es ist wirklich 13. Jahrhundert."

00:15:01: Aber was passiert in Puccinis und Forzano's Janis Kiki eigentlich genau?

00:15:07: Die Oper beginnt mit einem zackigen, instrumentalen Vorspiel, in dem das kurze Kernmotiv vorgestellt wird, das in verschiedenen Variationen die ganze Oper durchzieht.

00:15:15: [Musik]

00:15:41: Dann setzt auch schon die Handlung ein. Boaso Donati ist soeben gestorben. Die Verwandten sind bei ihm zu Hause versammelt und verleihen lautstark ihrer vermeintlichen Traueausdruck.

00:15:51: Hier werden, ähnlich wie im Ehevertrag, lautmalerische Elemente paradistisch eingesetzt. Das Orchester nimmt die falschen Schluchze der Verwandten vorweg.

00:16:02: [Musik]

00:16:14: Die heuchlerischen Schmerzbekundungen der Familie Gipfeln in dem Versuch, sich darin zu überbieten, wer von ihnen am längsten um den Verstorbenen weinen wird.

00:16:22: Tagelang, was? Tagelang, monatelang, jahrelang, das ganze Leben lang.

00:16:31: Diese Selbstinszenierung der Verwandten wird dadurch gestört, dass einer von ihnen das Gerücht verkündet, Boaso Donati hätte sein ganzes Vermögen an ein Mönzkloster vermacht.

00:16:40: Niemand denkt mehr daran, traurig zu sein. Es beginnt eine panische Suche nach dem Testament, das der junge Rinuccio schließlich findet.

00:16:48: Er rückt es aber nur unter der Bedingung heraus, dass er, sollte er etwas erben, lauretta, die Tochter Janis Kikis heiraten darf.

00:16:57: Das Testament wird geöffnet und alle erleben eine böse Überraschung. Die Gerüchte sind wahr. Das komplette Vermögen Boosus soll an die Mönche gehen.

00:17:07: Der verzweifelte Rinuccio schlägt vor, Janis Kiki um Hilfe zu bitten. Dieser kommt, liest sich das Testament durch und hat eine Idee.

00:17:17: Wenn man in der Stadt noch nicht weiß, dass Boaso tot ist, will Kiki sich selbst als dieser ausgeben und das Testament im Sinne der Verwandten neu aufsetzen.

00:17:24: Es wird nach dem Notar geschickt, um den Plan in die Tat umzusetzen.

00:17:28: Der verkleidetes Kiki spielt seine Rolle verzüglich und teilt Bargeld und Landgüter gleichmäßig unter den Verwandten auf.

00:17:35: Die besten Stücke jedoch, vermacht er eins ums andere einem angeblich guten Freund Boosus, nämlich sich selbst.

00:17:44: Um sich nicht als Komplizinnen bei der Testamentfälschung zu verraten, können die vor Unterdrück der Wut scheumenden Verwandten nichts dagegen tun und müssen gedemütig das Haus verlassen.

00:17:54: In diesem Schluss wird auch die gesellschaftliche Komponente der Oper deutlich, die Gegenüberstellung der alteingesessenen Leute aus der Stadt mit der Gentin Woewa, den neuen, zugezogenen Menschen.

00:18:07: In ihrer Überheblichkeit und mit ihren festgefahrenen Ansichten sind die Donatis Janis Kiki nicht gewachsen, der sich mittelt seiner Schlauheit ein Vorteil gegenüber der Familie erkämpft, die er am Ende aus dem Haus jagen kann, das jetzt ihm gehört.

00:18:19: Und das Erbe eröffnet Möglichkeiten und so werden auch die ständischen Unterschiede, die der Hochzeit Lauretters mit Rinuccio im Weg stehen, ähnlich wie im Ehevertrag, mit dem neu gewonnenen Vermögen überbrückt und das Liebespaar ist glücklich vereint.

00:18:34: Kiki freut sich und wendet sich nicht singend, sondern über die Schlusstakte der Oper sprechend ans Publikum. Augenzwinkern verweistert auf den Ursprung der Handlung bei Dante, wobei die Sympathien hier, ganz klar, auf seiner Seite liegen.

00:18:49: "Licenza del gran padre Dante, se' sta' sera vi siete divertiti, concedetemi voi, l'attenuante!"

00:19:10: Janis Kiki begab sich Puccini zum einzigen Mal auf das Terrain der komischen Oper und griff dabei, wie auch Rossini, auf die Komödientradition der Komedier der Larte zurück.

00:19:19: Die Charaktere der Oper sind Typen, denen eine tiefere Psychologisierung weitgehend fehlt.

00:19:26: Stattlich ist jedoch, dass Janis Kiki im Vergleich zum Ehevertrag nicht so sehr von gutmütigem Schalk, verspielter Musik und absurder Situationskomik, sondern eher von beißendem, zerkastisch kommentierendem Spot getragen wird.

00:19:40: Ein großen Anteil daran hat das Libretto. Die Sprache, die der aus der florentinischen Provinz stammende Forzano mühelos mit dialektalen Ausdrücken anreicherte und mit Anklängen an dantes Ferse schmückte, ist lebendig und biegsam.

00:19:53: Die Verwandten wiederholen sich echohaft in ihren Ausrufen, überbieten sich und stacheln sich an.

00:20:00: In zahlreichen Spielanweisungen werden die überzeichneten Vorgänge der Oper von Forzano akribisch skizziert und die grotesken Figuren in genauestens beschriebenen Gesten und Bewegungen charakterisiert.

00:20:10: Beispielsweise wird gleich zu Beginn das Schluchzen der Verwandten als künstlich mit der Gurgel hervorgebracht beschrieben.

00:20:16: In der Musik stehen die mit unterkaotisch turbulenten Ensemble-Nummern der Familie, Skikis Eigenwilligkeit und schonungslos ehrlicher Klarheit gegenüber.

00:20:26: Das Liebespaar Laureta Rinuccio fällt ganz aus dem Rahmen. Mit ihm werden Augen zwingend vocaestylistische Konvention des 19. Jahrhunderts aufgegriffen.

00:20:34: So auch in der berühmtesten Aria der Oper dem einfach gehaltenen "O mio Babino Caro" Lauretas.

00:20:42: "O mio Babino Caro" Lauretas

00:20:47: "O mio Babino Caro" Lauretas

00:20:53: Aber gerade diese Stilbrüche tragen entscheidend zur Komik bei.

00:21:01: Janis Kiki lebt vom rasanten Wechsel der Dynamik, auch im szenischen Aufbau.

00:21:07: Die feuchelte Trauer vom Anfang schlägt innerhalb weniger Augenblicke um in Gier.

00:21:11: Im einen Moment wird die harmonische Familiengemeinschaft beschworen, im nächsten über die Erbverteilung gezankt.

00:21:17: Wollen die Verwandten erst nichts von Skiki wissen, besingen sie ihn gleich darauf als ihren Retter, zu ironisch süßen Triangel und Hafenklängen.

00:21:25: "O mio Babino Caro" Lauretas

00:21:30: "O mio Babino Caro" Lauretas

00:21:36: Dieses Spiel mit Kontrasten findet seinen Höhepunkt in der Notarszene, in der die Verwandten zuerst selbst zufrieden die kluge Erbverteilung loben und dann, sobald Skiki schamlos die besten Stücke sich selbst vermacht, unterschwellig zu Brodeln beginnen.

00:21:54: "O mio Caro de Foto, afezionatru Amico" Janis Kiki

00:22:09: Bei Janis Kiki muss das Timing stimmen und neben den ausgeschriebenen Gesangslinien gibt es eine vielzeits spontane Ausrufe und Reaktionen, die sich zum Gesang dazugesellen sollten, etwa wenn das Testament gelesen wird.

00:22:21: Eine stumme Szene, in der sich die Realisierung der Donatis, dass sie nichts erben werden, beim lautlosen Lesen des Textes nach und nach Bahn bricht.

00:22:30: Diese Realisierung wird nur übers Orchester und über die stimmlichen und körperlichen Reaktionen der Darsteller*innen erzählt.

00:22:37: "O mio Caro de Foto, afezionatru Amico" Janis Kiki

00:22:48: "O mio Caro de Foto, afezionatru Amico" Janis Kiki

00:23:16: Damit Komödie in der Oper wirklich funktioniert, müssen also Text, Musik und schauspielerische Ebene perfekt ineinandergreifen.

00:23:23: In der Tradition der Operabufer ist das bereits angelegt. Sie lebt überwiegend von Ereignissen, die nicht im Text geschrieben stehen. Kostüme, Mimik, Gestik.

00:23:33: Alles soll möglichst fein aufeinander abgestimmt sein. Sowohl bei Janis Kiki als auch im Ehevertrag kommt es genau darauf an.

00:23:41: Wie Regisseurin Brigitte Fassbender mit diesen Eigenheiten umgeht, sehen sie ab 12. August am Doppelabend der Ehevertrag Janis Kiki im Theater am Kornmarkt.

00:24:00: Karten finden Sie unter www.reginserfestspiele.com

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