Der Freischütz

Shownotes

Eine der heute populärsten Opern im deutschsprachigen Raum, Carl Maria von Webers Der Freischütz, wird diesen Sommer das erste Mal auf der Seebühne zu erleben sein. In dieser Podcast-Folge beleuchtet Dramaturg Florian Amort die Entstehung des Stücks, die Handlung sowie die zentralen Themen Liebe, Schauer und Übernatürliches. Untermalt mit der emotionsgeladenen und packenden Musik erhalten Sie einen Einblick in Webers schaurig-schönes Meisterwerk. Mehr zu Der Freischütz bei den Bregenzer Festspielen finden Sie hier.

Der Trailer zum Stück gibt einen ersten Einblick, was Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl auf der Seebühne plant: https://youtu.be/stdh0MH3A8E?si=kOyiCg2hL0X0eDQT

Folgende Stücktitel aus Der Freischütz hören Sie in dieser Folge (chronologisch): Musikbeispiel 1: Ouvertüre (00:24–00:49) Musikbeispiel 2: Ouvertüre (02:05–02:42) Musikbeispiel 3: „Nein, länger trag’ ich nicht die Qualen“ (02:50–03:08) Musikbeispiel 4: Ouvertüre (03:38–04:49) Musikbeispiel 5: „Viktoria, Viktoria, der Meister soll leben“ (04:59–05:37) Musikbeispiel 6: „Schau’ der Herr mich an als König!“ (06:05–06:34) Musikbeispiel 7: „Nein, länger trag’ ich nicht die Qualen“ (08:55–09:17) Musikbeispiel 8: „Schweig, schweig, damit dich niemand warnt“ (12:30–13:09) Musikbeispiel 9: „Leise, leise, Fromme Weise!“ (14:10–15:37) Musikbeispiel 10: Die Wolfsschlucht (16:06–16:57) Musikbeispiel 11: Die Wolfsschlucht (17:29–17:50) Musikbeispiel 12: Die Wolfsschlucht (18:52–19:20) Musikbeispiel 13: Die Wolfsschlucht (19:59–20:47) Musikbeispiel 14: „Und ob die Wolke sie verhülle“ (20:55–21:46) Musikbeispiel 15: „Wir winden dir den Jungfernkranz“ (21:53–22:38) Musikbeispiel 16: „Schaut, o schaut!“ (24:28–24:46) Musikbeispiel 17: „Schaut, o schaut!“ (25:41–26:26)

Hinweis: Ein Transkript der Podcast-Folge „Der Freischütz“ zum Mit- und Nachlesen finden Sie hier: https://hoer-spiele.podigee.io/7-der-freischuetz

Musikaufnahmen aus dem Album "Weber: Der Freischütz" performed by NIKOLAUS HARNONCOURT (P) 1996 Teldec Classics, a Warner Music UK Division | Courtesy of WARNER MUSIC Group Germany Holding GmbH. A Warner Music Group Company

Transkript anzeigen

00:00:00: Hörspiele. Ein Podcast der Bregenzer Festspiele.

00:00:11: Das Werk im Fokus dieser Folge Carl Maria von Webers "Der Freischütz".

00:00:24: [Musik]

00:00:36: Vor 200 Jahren, in der Epoche der sogenannten Schauerromantik oder Schwarzen Romantik,

00:00:42: erfreuten sich Gespenster- und Gruselgeschichten großer Beliebtheit.

00:00:46: Mit ihren unheimlichen, fantastisch-abseitigen und dämonisch-grotesken Tendenzen

00:00:52: belegen sie eine gewisse Abkehr der damaligen Menschen von der Vernunft geleiteten Aufklärung.

00:00:57: Schlösser, Klöster, Ruinen und Friedhöfe, aber auch der Wald sind die Schauplätze dieser Geschichten.

00:01:05: Beschwörungsrituale, Hexenmagie, Erbflüche, Inzest, untote Ahnen und unerklärliche Naturspektakel

00:01:12: bilden das Inventar dieser Stücke.

00:01:15: Ob Carl Maria von Weber an Gespenster glaubte, lässt sich nicht so eindeutig beantworten.

00:01:21: Viele seiner Opern, allen voran "Der Freischütz" von 1821, dem diesjährigen Spiel auf dem See der Bregenzer Festspiele

00:01:29: zeigen das Irrationale

00:01:32: - und Weber gelang es wie kaum einem Komponisten vor ihm, eine schaurig-düstere Grundstimmung in den Werken musikalisch einzufangen.

00:01:40: Auf seinen "Freischütz" angesprochen, sagte er einmal,

00:01:44: "In dem Freischütz liegen zwei Hauptelemente, die auf den ersten Blick zu erkennen sind:

00:01:50: Jägerleben und das Walten dämonischer Mächte.

00:01:54: Ich hatte also bei der Komposition der Oper zunächst für jedes dieser beiden Elemente die bezeichnendsten Ton- und Klangfarben zu suchen. 

00:02:03: Die Klangfarbe, die Instrumentation für das Wald- und Jägerleben war leicht zu finden;

00:02:09: die Hörner lieferten sie.

00:02:11: Die Schwierigkeit lag nur in dem Erfinden neuer Melodien für die Hörner, die einfach und volkstümlich sein mussten.  [...]"

00:02:18: [Musik]

00:02:42: "Die wichtigste Stelle für mich aber", so Weber weiter, "waren die Worte des Max:

00:02:47: "Mich umgarnen finstere Mächte", denn sie deuten mir an, welcher Hauptcharakter der Oper zugeben sei."

00:02:54: [Musik]

00:03:05: "An diese finsteren Mächte musste ich die Hörer so oft als möglich durch Klang und Melodie erinnern.

00:03:12: Sehr oft bot mir der Text die Gelegenheit dazu,

00:03:15: sehr oft aber auch deutete ich da, wo der Dichter es nicht unmittelbar vorgezeichnet hatte,

00:03:21: durch Klänge und Figuren an, dass dämonische Mächte ihr Spiel treiben.

00:03:26: Ich habe lange und viel gesonnen und gedacht, welche der rechte Hauptklang für dies Unheimliche sein möchte.

00:03:33: Natürlich musste es eine dunkle, düstere Klangfarbe sein, also die tiefsten Regionen der Violinen, Violen und Bässe,

00:03:40: dann namentlich die tiefsten Töne der Klarinette, die mir ganz besonders geeignet zu sein schienen zum Malen des Unheimlichen,

00:03:48: ferner die klagenden Töne des Fagotts, die tiefsten Töne der Hörner, dumpfe Wirbel der Pauken und einzelne dumpfe Paukenschläge.

00:03:57: Wenn sie die Partitur der Oper durchgehen, werden sie kaum ein Stück finden, in welchem jene düstere Hauptfarbe nicht merkbar wäre."

00:04:07: [Musik]

00:04:12: [Musik]

00:04:17: [Musik]

00:04:22: [Musik]

00:04:27: [Musik]

00:04:32: [Musik]

00:04:37: [Musik]

00:04:41: [Musik]

00:04:45: Die neuartigen Klänge trafen den Geschmack der Zeit. "Der Freischütz" gefiel dem Publikum wie den Kritikern.

00:04:53: "Ins Schwarze getroffen", schrieb Weber jubilierend seinem Dresdner Librettisten Friedrich Kind nach der Uraufführung.

00:05:00: Das Premierenpublikum im kürzlich eingeweihten königlichen Schauspielhaus in Berlin feierte 1821 enthusiastisch das neue Werk,

00:05:09: das mit seiner emotionsgeladenen und packenden Musik schon bald zum Inbegriff der deutschen romantischen Oper werden sollte.

00:05:16: [Musik]

00:05:22: Nach der Ouvertüre platzen wir wortwörtlich mitten in die Handlung hinein.

00:05:27: Es ist der Tag vor der geplanten Hochzeit von der Erbförsterstochter Agathe mit dem jungen Jäger Max.

00:05:33: Doch das junge Paar ist nicht in freudiger Erwartung, sondern tief beunruhigt.

00:05:38: Max muss sich einem archaischen Brauch stellen und öffentlich einen Probeschuss absolvieren, denn nur wem der Probeschuss gelingt, darf die Försterei übernehmen.

00:05:47: Doch Max, der beste Schütze weit und breit, trifft nichts mehr.

00:05:51: Beim Sternschießen verliert er gegen den grobschlächtigen Bauern Kilian, der selbst gerne Agathe heiraten möchte.

00:05:58: Kilian feixt triumphierend in die Runde und provoziert den gedmütigten Max.

00:06:03: Der Spot der Landleute ist ihm sicher.

00:06:07: [Musik]

00:06:28: Gleich die erste Szene der Oper endet beinahe mit einer Schlägerei.

00:06:32: Erst Erbförster Kuno setzt er immer verächtlicher werdenden Verhöhnung ein Ende.

00:06:38: Doch auch Kuno ist wenig erfreut über die Schießkünste seines potentiellen Schwiegersohns.

00:06:43: Er erinnert ihn mahnend: Ohne gelungenen Probeschuss, keine Erbförsterei und folglich auch keine Heirat mit seiner Tochter Agathe.

00:06:53: Doch warum muss eigentlich jemand einen Probeschuss ablegen, um jemanden heiraten zu können?

00:06:59: Wilderen drohten im Mittelalter drakonische Strafen.

00:07:02: Eine davon war, den ertappten Übeltäte auf einen Hirsch zu binden.

00:07:07: Hunde sollten das irre Gespann ins Gebirge jagen, wo beide in den Tod stürzen sollten.

00:07:13: Ein Vorfahre von Kuno wurde Zeuge einer solchen Bestrafung.

00:07:17: Doch der regierende Fürst hatte Mitleid und versprach denjenigen, der den Hirschen erschieße, ohne den Wilderer zu töten, die Erbförsterei.

00:07:26: Kunos Vorfahre gelang der Meisterschuss.

00:07:29: Doch schon bald kam das Gerücht auf, der Schuss sei ihm nur durch eine Freikugel geglückt.

00:07:34: Daher verfügte der Fürst, dass alle männlichen Nachkommen Kunos zuerst einen erfolgreichen Probeschuss ablegen müssen,

00:07:41: wollen sie die Erbförsterei übernehmen.

00:07:44: Diesen Probeschuss muss nun Max ablegen, möchte er Agathe heiraten.

00:07:49: Der Mythos vom Freischütz, der durch schwarzmagische Praktiken oder durch sogenannte Freikugeln die Fähigkeit erlangt haben soll,

00:07:57: jedes Ziel zu treffen, sei es auch weit entfernt, nicht zu sehen oder um die Ecke gelegen,

00:08:03: ist in vielen Volkserzählungen, Sagen, aber auch in den Akten zu Hexenprozessen überliefert.

00:08:09: Die älteste heute bekannte Quelle zum Freischütz-Mythos aus dem Jahr 1449 stammt aus einer solchen Akte aus Basel.

00:08:17: Darin wird einem Söllner vorgeworfen, er habe drei Schüsse auf ein Jesusbild abgegeben und dadurch Freikugeln geschaffen,

00:08:25: mit denen er anschließend mehrere Menschen ermordet habe.

00:08:29: Er wurde durch Ertränken hingerichtet.

00:08:31: Doch zurück zu Max.

00:08:33: Der ist angesichts seiner mangelnden Treffsicherheit verzweifelt.

00:08:37: Ist er wirklich verzaubert, wie der zwielichtige Kriegsveteran und Jäger Kaspar andeutet?

00:08:42: Oder ist er nur nervös?

00:08:45: Während die Bauern das Sternschießen mit einem Tanz beschließen, plagen Max massive Versagensängste.

00:08:51: Er kann den Gedanken nicht ertragen, seine Braut zu verlieren.

00:08:55: [Musik]

00:09:17: Kaspar, der ebenfalls einst ein Auge auf die Erbförsterei geworfen hatte, erscheint und nimmt sich Maxens an.

00:09:24: Er verleitet ihn zum Trinken und reicht ihm schließlich sein Gewehr.

00:09:28: Angeheitert und lustlos schießt Max in die Luft und holt den größten Adler des Waldes vom Himmel,

00:09:34: der so hoch oben flog, dass eine normale Kugel ihn eigentlich nicht hätte erreichen können.

00:09:40: Kaspar erzählt, dass er eine Freikugel geladen hatte.

00:09:44: Da war es um Max geschehen.

00:09:46: Fasziniert von den okkulten Ausführungen will ich der ein, heute um Mitternacht zur Mondfinsternis in der verwunschenen Wolfsschlucht,

00:09:54: gemeinsam mit Kaspar, Freikugeln zu gießen.

00:09:58: Ab dem Spätmittelalter wurden in Deutschland Bleikugeln angefertigt.

00:10:02: Und kurz darauf entwickelte sich vermutlich bereits die Vorstellung,

00:10:05: dass man zu bestimmten Nächten, um mit besonderen Zutaten wie Menschenblut, Tierherzen, Blei von Friedhofskreuzen

00:10:13: oder Kirchenfenstereinfassungen Freikugeln herstellen könne.

00:10:17: Kugeln, die niemals fehl gehen.

00:10:20: In jedem Fall ist das Produzieren von Freikugeln ein Pakt mit dem Teufel.

00:10:25: Eine der ersten literarischen Verarbeitungen des Gießens von Freikugeln

00:10:30: ist in dem Buch "Unterredungen von dem Reiche der Geister zwischen Andrenio und Pneumatophilo" aus dem Jahr 1730 zu finden.

00:10:39: Die darin geschilderte Episode von einem Freischütz geht wiederum auf ein Gerichtsprozess zurück,

00:10:44: der 1710 in Taus, dem heute tschechischen Domažlice, geführt wurde.

00:10:50: Angeklagt war ein 18-jähriger Schreiber namens Georg Schmid,

00:10:54: der gemeinsam mit einem zauberkundigen Jäger insgesamt 63 Freikugeln gegossen haben soll.

00:11:00: Während des Vorgangs wurde er Zeuge verschiedener Erscheinungen.

00:11:04: Zuletzt erblickte er den Teufel selbst. Er brach unmächtig zusammen, wurde gefunden,

00:11:10: festgenommen und zum Tode verurteilt. Später allerdings aufgrund seines jugendlichen Alters begnadigt

00:11:16: und stattdessen zu einer sechsjährigen Haftstrafe und Zwangsarbeit verurteilt.

00:11:21: Diese Geschichte, verbunden mit dem Topos einer Brautwerbung,

00:11:24: bildet die Grundlage für die tragische Erzählung "Der Freischütz" von August Apel,

00:11:29: die Eröffnungsgeschichte des 1810 in Leipzig erschienenen Gespensterbuchs.

00:11:34: Diese Sammlung von Gruselgeschichten sollte unmittelbar nach der Veröffentlichung

00:11:39: im deutschsprachigen Raum für Furore sorgen.

00:11:42: Einer der ersten begeisterten Leser war der erst 23-jährige Carl Maria von Weber.

00:11:48: Gemeinsam mit einem Freund entwarf er sofort ein Openszenarium.

00:11:52: Doch erst 1817, als Weber zum königlichen Kapellmeister auf Lebenszeit

00:11:58: und Leiter des sogenannten deutschen Departements der Dresdner Oper berufen wurde,

00:12:03: sollte er gemeinsam mit dem Schriftsteller Friedrich Kind das Projekt wieder aufnehmen.

00:12:08: Der zwielichtige Kaspar ist jedenfalls angesichts seines Anwerbungserfolgs zufrieden.

00:12:13: Er hat ein neues Opfer für Samiel gefunden, den schwarzen Jäger, der nichts anderes ist als der Teufel selbst.

00:12:20: Allein beendet er den ersten Akt mit einer triumphierenden Rachearie.

00:12:25: "Der Hölle Netz hat dich umgarnt! Nichts kann vom tiefen Fall dich retten. Triumph! die Rache gelingt."

00:12:33: [Musik]

00:12:57: [Musik]

00:13:09: Die Uraufführung des "Freischütz" am 

00:13:12: 18. Juni 1821

00:13:13: - bezeichnenderweise am sechsten

00:13:16: Jahrestag von Napoleons Niederlage bei der Schlacht von Warterloo - viel in eine musikästhetisch

00:13:21: durchaus kontroverse Zeit.

00:13:23: Denn während Weber im Berliner Schauspielhaus mit dem "Freischütz" den Versuch unternahm,

00:13:28: eine ideale Deutsche romantische Nationaloper zu schaffen, herrschte als erster Preußischer

00:13:33: Generalmusikdirektor Gaspare Spontini über die nach wie vor tonangebende italienische

00:13:39: Oper am Berliner Hof.

00:13:42: Ausgerechnet nach diesem Aktschluss, so berichtet Webers Sohn Max Maria in seinen Erinnerungen,

00:13:47: sollten die Anhänger der italienischen Oper ihre Missbildigung zum Ausdruck bringen.

00:13:52: Doch dann folgte der zweite Akt:

00:13:55: Agathe ist mit ihrer besten Freundin Ännchen im Waldschlösschen.

00:13:59: Sie ist voller Angst um Max, besuchte sogar am Morgen den Eremiten, der ihr weiße Rosen

00:14:04: gab.

00:14:05: Ännchen versucht sie mit einem Lied aufzuheitern, vergeblich.

00:14:10: In ihrer Verzweiflung fängt Agathe an zu beten.

00:14:13: "Hier verschwand alle Opposition", so Max Maria von Weber,

00:14:36: "überrascht, hingerissen folgten die eifrigsten Gegner Webers dem allgemeinen unwiderstehlichen

00:14:42: Strome.

00:14:43: Orchester, Parterre, Logen, Galerie fühlten den Duft der schönen Nacht, beteten "leise,

00:14:50: leise" im totenstillem Schweigen andächtig mit, hörten das Rauschen der Bäume, sahen

00:14:56: Max mit dem Blumenstrauß in Naan und mit Agathes Jubel wallten dem Schöpfer dieses Zauberwerkes

00:15:02: Herzen, Hände und Seelen in Jauchzen, Klatschen, Rufen ohne Ende entgegen!

00:15:08: Von diesem Augenblick an war der Erfolg der Oper entschieden."

00:15:12: .

00:15:13: Doch Maxens Besuch ist denkbar kurz.

00:15:41: Unruhig behauptet er, er habe einen riesigen Hirsch erlegt und er müsse ihn noch holen -

00:15:46: aus der furchtbaren, verrufenen Wolfsschlucht, wo er liege.

00:15:49: Nun folgt die wohl avantgardistischste Opernszene der damaligen Zeit:

00:15:55: 20 Minuten Musik, von Weber radikal neu erdacht.

00:15:59: Allein schon die Szenenbeschreibung liest sich wie aus einer Vorlage für einen Kinoblockbuster:

00:16:04: "Furchtbare Waldschlucht größtenteils mit Schwarzholz bewachsen, von hohen Gebirgen rings umgeben.

00:16:14: Von einem derselben stürzt ein Wasserfall. Der Vollmond scheint bleich.

00:16:19: Zwei Gewitter von entgegengesetzter Richtung sind im Anzug.

00:16:24: Weiter vorwärts ein vom Blitz zerschmetterter, ganz verdorrter Baum, inwendig faul, so dass

00:16:30: er zu glimmen scheint.

00:16:31: Auf der anderen Seite, auf einem knorrigen Ast eine große Eule mit feurig rädernden Augen.

00:16:37: Auf anderen Bäumen Raben und anderes Waldgevögel.

00:16:53: Fledermäuse schwirren umher."

00:16:55: An diesem unwirtlichen Ort bereitet Kaspar alles für das Kugelgießen vor.

00:17:01: Die Szene beginnt in Fis-Moll, eine düstre Tonart, die man in der Romantik mit dem Dämonischen

00:17:08: assoziierte.

00:17:09: Noch Jahrzehntes später sollten sich Ortrud und Telramund in Wagners "Lohengrin" in Fis-Moll

00:17:15: gegen den Titelhelden verschwören.

00:17:17: Und auch Kaspar beschwört Samuel in Fis-Moll, bis dieser im dunklen C-Moll erscheint, begleitet

00:17:24: von tiefen Klarinetten und Posaunen.

00:17:26: Posaunen gehörten damals noch nicht standardgemäß zu einem Opernorchester.

00:17:32: Sie waren als Kircheninstrumente in Einsatz und man assoziierte sie mit dem jüngsten Gericht.

00:17:38: Ein langsames Tempo, Moltonarten, tonale Uneindeutigkeiten, unübliche Harmoniken, Tremoli, synkopierte

00:17:54: oder punktierte Rhythmen, eine ungewöhnlich dunkle Instrumentierung mit Posaunen:

00:17:59: Carl Maria von Weber benutzt hier alle ihm zur Verfügung stehenden musikalischen Mittel,

00:18:05: um eine Sphäre des Gruselns, des Erhabenen und der Furcht zu schaffen.

00:18:10: Diesen Stil bezeichnet man auch als Ombra-Stil, abgeleitet vom italienischen ombra, was Schatten

00:18:16: bedeutet.

00:18:17: Noch ein bisschen Musiktheorie am Rande.

00:18:21: Der Abstand zwischen diesen beiden Tönen C und Fis wird auch als Tritons bezeichnet.

00:18:26: Er führt im korrekten Tonsatz zu zahlreichen harmonischen Problemen, weshalb man dieses

00:18:32: Intervall bereits im Mittelalter als diabolus in musica oder Teufelsintervall bezeichnete.

00:18:37: Flehend bittet Kaspar um Verlängerung seiner Frist und bietet Samiel Max als neues Opfer

00:18:44: an, um drei Jahre Aufschub zu bekommen.

00:18:47: Gemäß der alten Vorschrift "Diabolus non cantat", ist Samiel übrigens eine Sprechpartie.

00:18:54: Samiel erinnert Kaspar noch einmal an die Bedingungen:

00:18:57: Sechs der Kugeln treffen,

00:18:59: die siebte aber gehört ihm.

00:19:01: Max erscheint am oberen Ende der Wolfschlucht und wird beim Hinuntergehen von wilden Phantasien

00:19:19: heimgesucht,

00:19:20: unter anderem erscheint ihm seine verstorbene Mutter und seine wahnsinnig gewordene Verlobte

00:19:25: Agathe, die sich von dem Wasserfall stürzen möchte.

00:19:29: Unten bei Kaspar angekommen beginnt schließlich der Guss der Freikugeln, eine lange Zeremonie

00:19:35: unter Donner und Blitz, Irrlichtern, Wotans durch den Himmel peitschendem wildem Heer,

00:19:41: und dem unheimlichen Gesang eines Geisterchores.

00:19:44: Nach der sechsten Kugel fegt ein Sturm durch die Schlucht.

00:19:48: Auch hier nutzt Weber die ganze Klangpalette.

00:19:50: Das Tempo ist um ein Vielfaches schneller; peitschende Rhythmen, starke Akzente und

00:19:55: die Dominanz von Blechblasinstrumenten und Pauke verweisen auf den sogenannten Tempesta-Stil,

00:20:01: italienisch Tempesta für Sturm.

00:20:25: Zur siebten Kugel erscheint Samiel, erneut in C-Moll.

00:20:28: Punkt ein Uhr ist der Höllenspuk vorbei - und Max und Kaspar liegen bewusstlos am Boden.

00:20:36: Auf die Schrecken in der Wolfschlucht folgt eine innige Cello-Kantilene.

00:20:46: Wir sind wieder im Waldschlösschen.

00:20:48: Die stürmische Nacht hat Agathe den Schlaf geraubt - und am Morgen ihres Hochzeitstages

00:20:53: packt sie die düstere Vorahnung.

00:20:56: Sie träumte, dass sie als weißer Vogel von Max erschossen wurde.

00:21:00: Selbst ihre beste Freundin Ännchen kann sie nicht aufmuntern.

00:21:04: "Mit wehmütiger Andacht" stimmt sie ein Lied an, in dem sie ihren ganzen Glauben an Gott ausdrückt:

00:21:11: [Musik]

00:21:39: Das nun folgende Lied der Brautjungfern, die Agathe für die kommende Zeremonie richten,

00:21:44: wurde zu dem wohl bekanntesten Hit der Oper.

00:21:47: Der Schriftsteller Heinrich Heine formulierte einst in seinen Reisebildern spöttisch:

00:21:52: "Haben sie noch nicht Webers "Freischütz" gehört?

00:21:54: Nein? Unglücklicher Mann!

00:21:57: Aber haben sie nicht wenigstens aus dieser Oper "Das Lied der Brautjungfern" oder den "Jungfernkranz" gehört?

00:22:03: Nein? Glücklicher Mann."

00:22:06: [Musik]

00:22:12: [Musik]

00:22:19: [Musik]

00:22:26: [Musik]

00:22:32: Doch erschrocken stoppen die Brautjungfern ihren Gesang, denn statt eines Brautkranzes

00:22:42: liegt eine Totenkrone im Karton.

00:22:45: Agathe deutet es als Zeichen des Himmels und lässt aus den weißen Rosen des Eremiten

00:22:50: schnell einen Ersatz flechten.

00:22:52: Währenddessen versammelt sich die fürstliche Jagdgesellschaft zum Probeschuss.

00:22:57: Max hat bereits mehrere Meisterschüsse demonstriert und das Ansehen des fürstlichen Gefolges

00:23:02: und vom Fürsten Ottokar selbst erlangt.

00:23:04: Die letzte Freikugel möchte er sich aber für den Probeschuss aufheben.

00:23:09: Nun kommt es zum großen Finale.

00:23:11: Ottokar spürt die Nervosität und gibt Max ein leichtes Ziel.

00:23:15: Er soll auf eine Taube schießen, die auf einem Ast sitzt.

00:23:20: Max lädt die siebte Freikugel, die Teufelskugel, legt an, zielt und drückt ab.

00:23:27: In der originalen Erzählung von August Apel trifft die Kugel seine Braut.

00:23:32: Kuno stirbt vor Kummer und der unglückliche Schütze verfällt dem Wahnsinn, wird ins

00:23:37: Irrenhaus gesteckt und stirbt kurz darauf.

00:23:40: Bei Friedrich Kind und Carl Maria von Weber hingegen stürzen gleich zwei Personen zu

00:23:46: Boden:

00:23:47: Agathe und Kaspar.

00:23:48: Doch während Agathe unversehrt bleibt, ist Kaspar tödlich getroffen,

00:23:53: verflucht den Himmel, verflucht Samiel und stirbt.

00:23:57: Max muss nun Farbe bekennen:

00:24:00: Er gesteht die ganze schwarzmagische Zauberkocherei.

00:24:04: Der Fürst möchte ihn des Landes verweisen, doch da erscheint der Eremit und tritt für

00:24:09: Max ein.

00:24:10: Ein Liebesglück sollte nicht von einem Probeschuss abhängig sein.

00:24:14: Der achaische Brauch gehöre abgeschafft und Max soll eine Bewegungsfrist von einem

00:24:19: Jahr bekommen.

00:24:20: Bestehe er sie, können er die Erbförsterer übernehmen und Agathe heiraten.

00:24:25: Der Fürst ist einverstanden.

00:24:27: Großer Jubel am Ende.

00:24:28: [Musik] Übrigens äußert sich auch August Apel in dem Nachworts seines "Gespensterbuchs".

00:24:50: bezüglich übernatürliche Kräfte: "Ob es Gespenster gäbe, soll eine sehr unentschiedene und streitige Sache sein.

00:24:58: Aber entschieden und unstreitig ist es, dass es Gespenstergeschichten gibt.

00:25:02: Und die Erfahrung, welche über Gespenster selbst sehr zweideutig belehrt, zeigt unwidersprechlich,

00:25:09: dass sehr viele Leute die Gespenstergeschichten außerordentlich gerne hören und lesen."

00:25:15: Diesem Satz könnte wohl auch Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl zustimmen,

00:25:20: der den "Freischütz" als Spiel auf dem See bei den Bregenzer Festspielen inszeniert.

00:25:25: Es ist vor allem die Lust am Unheimlichen und schauerlichen Spektakel, woraus er eine

00:25:30: faszinierende Welt im Bodensee entwirft.

00:25:33: Mit Witz und Sensibilität lässt er das Publikum in eine gleichzeitig vergangene und gegenwärtige

00:25:39: Landschaft eintauchen.

00:25:41: Inspirationsquelle für seine Inszenierung ist insbesondere die Vorlage von August Apel.

00:25:47: Viele der bei Friedrich Kind und Carl Maria von Weber weggelassenen oder anders gewichteten

00:25:52: Motive greift er gemeinsam mit Autor Jan Dvorak in der exklusiv für die Bregenzer

00:25:57: Festspiele erstellten Dialogfassung auf.

00:26:00: So wird beispielsweise der originale tragische Ausgang des Probeschusses mit aufgenommen.

00:26:06: Ein dramaturgischer Kontrapunkt zu dem ursprünglichen Happy End, das es trotzdem beim Spiel auf dem

00:26:11: See in Bregenz geben wird.

00:26:13: [Musik]

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